sneaky_peter hat geschrieben:
Sorry, aber sowas holzschnittartig Fatalistisches habe ich lange nicht gelesen. Da muss man ja depressiv werden werden. Oder sich gleich einen Strick nehmen.
Realistisch, würde ich sagen. Wenn man die Augen aufmacht. Und ja, eine Portion Optimismus/Egoismus kann man ja deswegen noch haben, wenn man schon so alt, wie ich ist. Weil wir vielleicht grade noch an der Überkatastrophe durch vorzeitiges Sterben vorbeischrubben. Aber ich sehe es hier wie Cuechanger. Wenn ich Kinder hätte, wäre ich stärkstens beunruhigt.
Wenn man sich soviel Angst machen lässt, ist man nicht weit davon entfernt, bei Parteien sein Kreuz zu machen, die einen radikalen Wandel versprechen.
Damit zeigst Du, dass Du nichts von dem verstanden hast, was ich schrub. Genau das bringt ja die Menschheit dahin - sozusagen beschleunigt - wo man eigentlich nicht hin will. Und nachdem ich das nun länger beobachte und der Trend selbst ohne jegliche bedeutende wirtschaftliche Krisen in den jeweiligen Ländern (USA, Ungarn, Polen usw.) zu den rechtsradikalen Populisten geht - wie soll das erst werden, wenn die Wirtschaft schwächelt und Arbeitslosigkeit und Armut wieder heftiger werden?
Die mir versprechen aufzuräumen und die Schuldigen („Altparteien“, Flüchtlinge, Linke, Grüne, Schwule und Lesben, sprich alle, die anderer Meinung sind) zur Rechenschaft zu ziehen (einsperren, aus dem Land jagen, an die Wand stellen).
Genau das ist die Reaktion der Dummen. Die machen ihr Kreuz bei denen, die Leute verantwortlich machen, die vermeintlich schuld sind und im alten Sprachgebrauch "Untermenschen" waren. Der Fatalismus ist doch hier: Der dumme Wähler weiß, dass er auf die Schnelle nicht gegen die die Welt regierenden Multimilliardäre und Konzerne ankommt. Also sucht er einen Schuldigen, auf den er billigst einprügeln kann. Und das sind dann diejenigen, die Du oben genannt hast.
Ausserdem lässt sich der Dumme permanent Angst machen: Dein Arbeitsplatz ist in Gefahr, wenn Du gegen Umweltverschmutzung bist. Die Moslems werden übernehmen, wenn Du nicht für die von uns geführten Kriege eintrittst. Dein Wohlbefinden hängt von unseren Waffenexporten ab. Einer der nichts leistet, soll auch kein vernünftiges Auskommen finanziert bekommen (= die These, dass mehr oder minder alle Sozialhilfeempfänger "faule Säcke" sind). Wir können nichts unternehmen, weil die anderen Länder blablabla ....
Demokratie wäre nicht nur die beste Staatsform, sie ist es! Die Menschen sind auch nicht zu dumm dafür, sonst hätten wir nämlich schon lange keine mehr.
Nun, wir sind auf dem besten Weg, die Demokratie überall so zu unterhöhlen, dass sie nicht mal mehr annähernd eine ist. Die Leute wie Erdogan und Duterte sind schon sehr weit gekommen. Die mittlere Klasse von Demokraturen wie Polen und Ungarn sind auf einer Zwischenstufe. Leute wie Trump arbeiten daran, eines der freiheitlichsten Länder seit 200 Jahren da hinzuschieben. Das italienische Experiment ist noch in den Kinderschuhen. Hier und in Frankreich lauern ähnliche Figuren und erhalten trotz unsäglicher Aussagen ihrer "Politiker" immer mehr Zuspruch.
Daraus leitet sich für mich ab, dass die Menschen (zumindest die Mehrheit) zu dumm für die Demokratie sind. Denn sie wählen ja diejenigen, die genau und recht unverblümt die Demokratie zerstören und im Endeffekt langfristig abschaffen wollen. In instabileren Ländern wie der Türkei ist ihnen das schon ziemlich vollständig gelungen, in anderen Ländern wie Israel gilt die Demokratur nur für den nicht-arabischen Bevölkerungsteil, in wieder anderen Ländern wie Polen und Ungarn erodiert man langsam, aber doch auffällig, die Kontrollinstanzen.
Und in langlebigen Demokratien wie UK ist der kleine Wahnsinn ausgebrochen. Da einigt man sich nicht mal mehr auf den Brexit (der an sich schon daneben ist und wiederum beweist, dass die Bevölkerung zu dumm ist) - sondern lehnt jeden Vorschlag ab. Nutzniesser dieses Wahns werden wohl auch dort Knalltüten wie Farage werden. Wobei es ja inzwischen genügend Wirre in den normalen Parteien gibt und es dann vielleicht eher Richtung Trump = Boris Johnson etc. geht.
Aber wir müssen genau aufpassen, was von einer Gesellschaft toleriert werden muss und was nicht. Z.B. bei Parteien und Organisationen, die ganz klar demokratiefeindlich aufgestellt sind, aber Immer dort Kreide fressen, wo es darum geht, sich innerhalb eines gewissen rechtlichen Rahmens zu bewegen. Diese Grenzen, die momentan von wenigen in vielen Ländern ausgetestet und strapaziert werden gilt es zu überdenken, anzupassen und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. Und da bin ich viel zuversichtlicher, als es meine Vorschreiber offensichtlich sind.
Tja, und genau da kommt wieder das Problem der Demokratie. Ich kann z.B. die NPD verbieten. Klasse. Ich schaffe damit einerseits "rechte Märtyrer". Andererseits ziehen die sich zum größten Teil ein neues Mäntelchen an und sind halt jetzt AfD-Parteimitglieder. Verbiete ich solche Parteien, schädige ich eigentlich die Demokratie. Verbiete ich sie nicht, unterwandern sie die Demokratie. Um sie dann auszuhöhlen und langfristig zu vernichten.
Was mich zu meiner Grundthese führt: die Menschheit ist zu dumm. Denn eine intelligente Menschheit würde kein Experiment Bolsonaro oder Duterte machen. Leute, die schon beim Antritt all das, was Demokraten erschauern lässt, laut herausposaunen. Bei Leuten wie Trump ist es etwas anders. Die haben sich zwar auch unsäglich geäussert, aber die Wut auf das "verlogene Washington" hat ihn trotzdem viele wählen lassen. Richtig schlimm ist allerdings, dass nach den täglichen Lügenarien aus seinem Munde immer noch knapp 40% der Wähler hinter ihm stehen. Und dass die doch so erzkonservativen Republikanersenatoren und -abgeordneten heute Sachen bei Trump dulden, für die sie sofort den Sturz eines demokratischen Präsidenten fordern würden. Dies ist purer Eigennutz, natürlich. Beim Volk ist es einfach schiere Dummheit, oder wie soll man das sonst bezeichnen?
Ein intelligenter Mensch würde - IMHO - sein Kreuz bei einer der "normalen", nicht extremistischen Parteien machen. In D haben wir viele Alternativen. Wir können der korrupten Staatselite auch einen Denkzettel verpassen, ohne die schlimmere Alternative zu wählen! Selbst die "Piraten", wenn auch wirre, sind bei Weitem keine so grosse Gefahr wie die AfD. Und dann gibt es noch normale Oppositionsparteien, die ÖDP, christliche Splitterparteien, die Tierschutzpartei und für jeden Geschmack etwas. Aber komisch ist schon, dass immer die übelste "Alternative" aus Protest gewählt wird.
Und, um wieder den Bogen zumindest etwas zu kriegen: Genau diese "Alternativen" verschlimmern sowohl die Perspektiven auf Frieden, als auch auf Umweltschutz.