@sneaky - ich bin ein (meistens) Nachtmensch und mein Gehirn arbeitet besser spät abends. Aufregen kann ich mich immer :-)
Ich bin voll bei Jaehndan - es war in meiner Jugend auch nicht alles Zucker. Als ich aufwuchs, hatten in D die Altnazis noch einen großen Teil des Staates in der Hand (Justiz, Polizei, Politik, Verwaltung usw.) und die BRD tat alles, um die Aufarbeitung im Sinne von Anklagen gegen die Massenmörder des 3. Reiches wegzuwischen. In den USA entstand ein massiver Imperialismus gegenüber der "unterlegenen" Welt. Dazu kam der Ost-West-Konflikt, der aber im Nachhinein gesehen auch sein Gutes hatte - er verhinderte die totale Weltdominanz der USA. Dazu noch die schrecklichen und unnötigen Kriege, die hier bekanntesten waren Korea und Vietnam. Apartheid, Rassismus und vieles andere wurde erst spät nach dem 2. WK ernsthaft kritisiert und abgeschafft, wenn auch nur unzureichend.
Dann kam eine Phase, die die 68er und Anti-Vietnam Demonstranten eingeleitet hatten. Altnazis starben zumindest in Machtpositionen aus, vieles lief nicht mehr kritiklos über die Bühne. Es gab Hoffnung, auch wenn noch vieles im Argen lag. Man wusste zwar, dass seitens der Mächtigen noch viele Sauereien im mehr oder minder Verborgenen begangen wurden, aber zumindest die überwiegende Mehrheit der in demokratischen Ländern lebenden Bevölkerungen hatte einen Moralkodex, der diese Dinge für verwerflich erachtete.
Für mich fing der moralische Verfall z.B. (und unter vielen anderen Dingen) damit an, dass Folter im Irak (Abu Ghraib usw.) von "rechtschaffenen" Konservativen verteidigt wurde und diese nicht sofort durch einen Shitstorm aus ihren Positionen entfernt wurden. Ja, es gab immer Folter durch Geheimdienste, Kriegsverbrechen usw. Aber gerade das unwidersprochene und offene Verteidigen/Ignorieren BEWIESENER Vorgänge in dieser Hinsicht und die fehlende Aufgeregtheit in weiten Teilen darüber war m.E. neu. In den 70ern gab es auch Folter durch westliche Geheimdienste und Mächte. Aber das erzeugte weit verbreitete Abscheu.
Der Unterschied zu heute: viele kleine Spiessbürger interessiert es gar nicht und im Gespräch mit Leuten im weiteren Umfeld ist vielfach die Meinung, dass - solange die bösen Moslemterroristen, Asylanten, linken Chaoten und fälschlich wahrgenommene Zerstörer des eigenen Wohlstands (diejenigen, die für eine gerechtere Verteilung eintreten) alle unter Kontrolle sind - ein kleiner Trump, Folterknecht, mordender Saudi-Prinz usw. hinzunehmende Unzulänglichkeiten sind. Im Sinne eines "größeren und besseren" Ganzen.
Apropos Saudi -
https://www.thetimes.co.uk/article/ther ... -l0220vqwp - so etwas sowie der Kashoggi-Mord selbst hätte noch vor 20-30 Jahren sicher mehr Aufruhr verursacht - vor 50 Jahren noch mal deutlich mehr. Ja, damals hätte man es wahrscheinlich ganz unter den Teppich gekehrt und es wäre vielleicht nie bekannt geworden. Trotzdem - dass sowas nach nur 2 Monaten nach einem grauenvollen Verbrechen akzeptiertes Verhalten ist, das man mit Handschütteln mit den blutigen Mörderpratzen belohnt, wäre wohl eher nicht akzeptabel gewesen. Und ja, ich weiß, dass man auch damals mit Diktatoren freundlich umgegangen ist. Wenn sie auf der eigenen Seite standen. Aber so offen tat man es halt nicht. Wenn ich dazu im Vergleich die ständigen Maduro-Attacken der Medien sehe, erkenne ich zumindest eine moralische Schieflage.
Und genau diese Schieflage überträgt sich auf die Bevölkerung. Was dann dazu führt, dass z.B. Trump immer noch knapp 40% Zustimmung trotz aller Unsäglichkeiten hat. Oder dass der AfD trotz aller bekannten massiven Entgleisungen immer noch weite Teile der Bevölkerung nicht mit Abscheu begegnen. Fake News hin oder her. Es gibt genügend Material aus dem Munde dieser Politiker, die jeden minimal die Nachrichten verfolgenden Bürger eigentlich mit Brechreiz überziehen müssten. Dazu brauche ich nicht mal den "Fake News" glauben, nur den Worten der Politiker selbst zuhören. Und dann mein Gehirn einschalten. Aber das geschieht heute in viel weiteren Kreisen der Bevölkerung nicht mehr als noch vor ca. 30 Jahren. Es ist so vieles "akzeptabel" geworden, das damals zumindest in den Köpfen der Normalos noch übel gewesen wäre. Weswegen auch eine Partei wie die NPD nie groß geworden ist. Die AfD ist heute nicht erkennbar von dieser zu trennen. Aber sie ist eben vielerorts salonfähig. Und das ist m.E. der Unterschied.
Der Friedensnobelpreis ist moralisch schon länger auf den Hund gekommen. Ich denke Alfred Nobel würde sich im Grabe umdrehen. Insofern bin ich schon immer erstaunt, wenn mal ausnahmsweise kein Politiker mit Blut an den Händen vorgeschlagen und auch gewählt wird. Greta kann mich da gar nicht mehr aufregen, auch wenn es mit dem ursprünglichen Sinn des Preises rein gar nichts zu tun hat.